marc getzmann
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Fülle und Sehnsucht  

Mitten in uns, in unserem Innersten wohnen eine Fülle und eine Sehsucht.
Die Fülle umfasst unsere Einzigartigkeit, unsere Fähigkeiten und Begabungen sowie unsere Ecken, Kanten und unsere „besonderen Besonderheiten“.
Die Sehnsucht mündet im Verlangen, zuinnerst gehört zu werden, zuinnerst berührt zu werden und die Sehnsucht, selber mit diesem Innestern in Kontakt zu kommen.

Fülle und Sehsucht wurden uns in die Wiege gelegt. Beide reichen weit über unsere Geburt zurück und verbinden uns mit dem Ursprung. In uns ist dieser Ursprung samt all der daraus erwachsenen Entwicklung anwesend und bereit für den nächsten Schritt.

In den Kindern und Jugendlichen die wir begleiten und auch in deren Eltern wohnt dieselbe Fülle und dieselbe Sehnsucht. Oft scheint scheinen sich bei Ihnen, durch verschiedenste Erfahrungen, Beschämungen und Verletzungen, eine Schutzschicht gleich einer Verkleidung über dieses Innerste gelegt zu haben.
Hinter dieser Verkleidung, diesem Schutzverhalten hofft das Kind, der Jugendliche gehört und in seinem Wesen entdeckt zu werden.
Erlauben wir uns in Mariazell Sursee immer wieder neu, hinter die Verkleidung zu schauen und mit Fülle und Sehsucht in Kontakt zu kommen.
Das stiftet Vertrauen und lässt Kinder und Erwachsene Neues wagen. Dieses Wagen ist kraftvoll und gestaltet die Zukunft.


Marc Getzmann

                     



   

Das Mögliche

Das Mögliche ist das gut Machbare.
Wenn wir dem Möglichen zustimmen, es anpacken und realisieren, machen wir gute Arbeit und – wir tragen angemessen Sorge zu uns und unserer Welt.

In der Zeit der Effizienz, der Optimierung, der Qualitäts- und Leistungssteigerung bei gleich bleibenden oder sich verknappenden Mitteln, laufen wir Gefahr, dass wir uns und unsere Mitmenschen über das gesunde Mass hinaus fordern lassen.
Wir erleben uns eingespannt in ein Netz von vermeintlichen Sachzwängen und Anforderungen, ein Nährboden für Selbstausbeutung.

Wesentlich ist es, sich in solchen Zeiten auf den Auftrag auszurichten und im darin enthaltenen übergeordneten Ziele zu sammeln, um dann, aus dieser Sammlung heraus, das Mögliche – Schritt für Schritt - zu tun.

Dieses Mögliche hat Kraft und Zuversicht. Es ist in Bewegung, ausgerichtet auf ein Ziel und ist offen für Austausch und Beziehung.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass wir uns ausrichten auf unsere Ziele, das Mögliche ausschöpfen und Raum haben für Begegnungen, Unvorhergesehenes und uns selbst


Marc Getzmann

      


  


Adam und Eva, geträumt

Sie zeigt sich ihrer Grösse, denn sie hat die Angst vor ihrer eigenen Kraft verloren.
Sie ist frei, denn sie hat ihre Schuldzuweisungen an das Patriarchat hinter sich gelassen.
Sie ist weise Gefährtin, denn sie hat aufgehört, sich dem Mann zu unterwerfen und ihn gleichzeitig dafür zu bestrafen.

Sie liebt es zu umsorgen, ohne unterwürfig zu sein, denn sie hat zu einer neuen Würde gefunden.
Sie ist schön, denn sie hütet sorgsam das Geheimnis des Lebens in ihrem Schoss.
Sie ist leidenschaftlich und unabhängig, denn sie hat das Wesen ihrer Weiblichkeit erkannt.
Sie ist Muse, denn sie weiss die Sehnsucht des Mannes zu stillen, zuinnerst berührt zu werden.
Sie ist Königin, denn sie lehrt den Mann, das neue Land des erwachenden Herzens mit ihr zu betreten.

Er ist ein Führender, ohne auf seinem Vorrang zu bestehen.
Er ist Meister, ohne dominieren zu müssen.
Er ist mächtig, ohne anderen Gewalt anzutun.

Er kann seine Begabungen und Fertigkeiten zeigen, ohne immer der Beste sein zu wollen.
Er hat sich von den alten Schuldgefühlen gelöst, die so lange auf seinen Schultern lasteten.
Er ist spielerisch und leidenschaftlich, denn er ist vom Soldaten zum Botschafter des Lichts geworden.

Er hat den Mut, seiner Sehnucht zu folgen.
Er strebt nach den Sternen, eingebettet in die Rhythmen des Sein.
Er ist gütig und zärtlich, ohne sich vor seiner Verletzlichkeit zu ängstigen.
Er liebt seine Männlichkeit, denn er hat sein Herz gefunden.

Er fürchtet sich nicht mehr vor der Frau, denn er weiss, wer er ist.
Er ist König, denn er hat die Grösse, zu dienen.
Er ist frei, denn er hat seine Königin befreit.

(Franziska Bolt)


     


     

Aufbau des inneren Haltes und ZEN

Ziel von Erziehung und Begleitung ist der Aufbau des inneren Haltes bei jedem Einzelnen (Paul Moor).
Das in meiner Mitte eingefaltete, meine Einzigartigkeit mit all seinen Möglichkeiten, Grenzen und Besonderheiten, gilt es dienstbar zu machen, mir selber, den Menschen und der Schöpfung.
Diese innere Potenz ist Gabe und Aufgabe zugleich.
Aufgabe ist es, in Kontakt zu kommen mit diesem Innersten, diesem Innersten zuzustimmen, ein ganz schlichtes und klares JA.
In dieser Innenseite gilt es Halt zu finden, diesen Halt zu erweitern, zu vertiefen und zu festigen.
Dieser Innere Halt ist Grundlage für meinen Entwicklungsweg, auf dem ich einerseits eine immer tiefere Verbundenheit zu dieser Mitte erfahre und durch diese hindurch in vertrauenden Kontakt komme mit dem „grundlosen Grund“, andererseits in diese Verbundenheit  meine Aktivitäten, mein Tun, meine Arbeit und mein Sein gründe.

Damit sich dieser innere Halt entwickeln kann braucht es zwingend äusseren Halt.
Der äussere Halt, der mir einen Rahmen gibt, innerhalb dessen sich nächste Schritte entwickeln, erproben und festigen kann.
Ohne äusseren Halt gelingt es kaum, inneren Halt aufzubauen.
So steht der äussere Halt (Rahmen, Grenzen, Aufgaben usw.) in Dienste des Aufbaus des inneren Haltes.

So auch im ZAZEN.
Erst der klare äussere Halt, die Rituale im Zendo,  das Schweigen,  meine äussere Haltung, die Kraft der Gruppe, die klare Führung durch das Sesshin, usw. ermöglichen die Meditationserfahrung.
Auch im ZAZEN ist dieser äussere Halt nicht Selbstzweck. Er bildet die Voraussetzung und die Möglichkeit der Innenerfahrung und so auch die Vertiefung des inneren Haltes. Der Rahmen hilft, die Zerstreuungen zu mindern, hilft zu sitzen, hilft,  auch durch die Kraft der Gruppe, sich selber nicht auszuweichen.

Zentrieren, sich sammeln, inne-werden, - das sind Qualitäten die den Grund legen, aus dem heraus tragende nächste Schritte erwachsen.
Zentrieren, der Weg nach innen,  in seine Kraft und Bestimmung,  das ist Grundlage für de-zentrieren.  Sich verbinden mit dem DU, der Gemeinschaft, der Schöpfung, dem Kosmos. Beide Qualitäten braucht die Welt, die Schöpfung heute, jetzt.


Marc Getzmann

  

       
 


         
  


Von der Arbeit

Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe. Und wenn ihr nicht mit Liebe, sondern mit Widerwillen arbeiten könnt, lasst besser eure Arbeit und setzt euch ans Tor des Tempels und nehmt Almosen von denen, die mit Freude arbeiten.
Denn wenn ihr mit Gleichgültigkeit Brot backt, backt ihr bitteres Brot, das nicht einmal den Hunger des Menschen stillt.
Und wenn ihr die Trauben mit Widerwillen keltert, träufelt eure Abneigung ein Gift in den Wein.
Und wenn ihr wie Engel singt und das Singen nicht liebt, macht ihr die Ohren der Menschen taub für die Stimmen des Tages und die Stimmen der Nacht.

Khalil Gibran: Der Prophet


In unserer Arbeit sind Klarheit, Sorgfalt und Zärtlichkeit Aspekte dieser sichtbar gemachten Liebe.
Klarheit meint, dass wir Erwachsenen klar sind in unseren Absichten, Motiven und Zielen, klar in den Erwartungen. Ohne Zweideutigkeit und doppeltem Boden spiegeln wir, was uns wichtig ist und für was wir einstehen
Gelebte Sorgfalt im Umgang mit uns selber, mit den Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, der belebten und unbelebten Natur ebnet den Weg zu einem achtsamen und respektvollen Zusammenleben.
Zärtlichkeit nimmt den Menschen an, so wie er ist, ohne wenn und aber. Zärtlichkeit ist zugewandt und „sieht mit dem Herzen“, wie der Kleine Prinz von Saint-Exupery.

Klarheit und Sorgfalt, verbunden mit Zärtlichkeit, stiften Mut, Zuversicht und Vertrauen.
In Kontakt mit diesem Dreiklang kann Erziehung jeden Tag neu gelingen.

Diese von Khalil Gibran beschriebene „sichtbar gemachte Liebe“ ist kraftvoll und im Dienste des Erziehung- und Bildungsauftrages.

Marc Getzmann

    

   


        
                 

Zwischenräume


Nicht in den Mauern, sondern zwischen diesen, findet das Leben statt.

Und dennoch, ohne diese Mauern entsteht kein DAZWISCHEN.

Wände (Grenzen, Regeln, Gesetze usw.) sind so nicht Selbstzweck, sondern im Dienste des Zusammenlebens. Sie öffnen und definieren den Gestaltungsraum. Zudem sind diese Räume nicht geschlossen. Türen, Fenster, Nischen und Durchbrüche sind in der Regel vorhanden. Oft hilft es, sich neugierig umzusehen, den Blick von der Wand vor sich zu lösen,  um so den Raum mit seinen möglichen Durchgängen wahrzunehmen. Diese Such-Bewegung liegt bei jedem Einzelnen.

Als verantwortliche „Architekten“ in unserem umfassenden Bildungsauftrag gilt es, die Zwischenräume angemessen offen (geschlossen) zu gestalten, so, dass Räume generiert werden innerhalb deren Veränderungen gewagt werden können. Es gilt die Balance zu finden zwischen Halt, Orientierung Sicherheit einerseits und Kreativität, Individualität, Impulsivität und Gestaltungsdrang andererseits.

Ein Zuviel an „Wand“ (Regeln, Gesetze  usw.) erdrückt und erstickt Leben und Entwicklung,
ein Zuwenig an „Wand“ führt in Orientierungslosigkeit, Grandiosität oder Ohnmacht und Entfremdung.

Gemeinsam bleiben wir in der Suchbewegung nach dieser Balance, der Balance, die im Leben und in der individuellen Entwicklung den nächsten Schritt vorbereitet, zutraut und zumutet.

Marc Getzmann

Dazu Martin Buber:      

„Jenseits des Subjektiven, diesseits des Objektiven, auf dem schmalen Grat, darauf Ich und Du sich begegnen, ist das Reich des Zwischen.“ ---

„Das Zwischen ist nicht eine Hilfskonstruktion, sondern wirklicher Ort und Träger zwischenmenschlichen Geschehens; es hat die spezifische Beachtung nicht gefunden, weil es zum Unterschied von Individualseele und Umwelt keine schlichte Kontinuität aufweist, sondern sich nach Massgabe der menschlichen Begegnungen jeweils neu konstituiert.“

Martin Buber 


     
   



Wort       Antwort       Verantwortung

Wort
Das Wort ist der Anfang.
In ihm manifestieren sich die Bilder jedes Menschen, sein umfassender Sinn und dahinter seine Einmaligkeit. Durch Worte bringen wir unsere individuelle Innenseite und unsere eigenen Bilder von Welt, Beziehung, Sinn, Freude usw. in Kontakt mit den Bildern anderer.
Durch Worte sind wir in Beziehung mit uns und den Menschen um uns herum.


Antwort
Ant-wort setzt Hören voraus.
Wir richten unsere Wahrnehmung auf ein Gegenüber aus und sind angemessen offen für „seine Worte“.
Hören, zuhören ohne dass das Gehörte sofort durch „meine Meinung“, „meine Bilder“ gefiltert und bewertet wird, bedarf der Übung. Die Antwort ist der dritte Schritt nach dem Hören. Der Zweite ist eine Bewegung in uns. Er bringt die so gehörten Worte in Kontakt mit unseren Erfahrungen, Bildern. Aus diesem Kontakt der Bilder und Meinungen, werden Antworten genährt und über die Antwort treten wir in Beziehung


Verantwortung
Verantwortung ankert die Antwort in der Verbindlichkeit. Verantwortung nimmt den Einzelnen und Menschengruppen in die Pflicht. Sie orientiert sich nicht an der individuellen Glückseligkeit, sie nimmt uns in den Dienst übergeordneter Grundlagen oder Interessen wie: Kinder, Natur, den Umgang mit den Ressourcen unserer Welt und deren Verteilung, Teilhabe an Gemeinschaft (Familie; Bildung; Arbeit; Gemeinwesen usw.).

Verantwortung meint in meinem Bild: Durch Antworten erkennbar sein mit einem klarem Standort, verbindlich und angemessen offen, im „Gespräch des Lebens“.

In diesem Sinne wünsche ich uns offene Ohren um das wahrzunehmen was ist, z.B. für die Anliegen der Kinder und Jugendlichen, der Eltern, des „Nachbarn“ usw. als Grundlage für eine erfolgreiche und verantwortliche Arbeit.


Marc Getzmann